In unserer modernen westlichen Gesellschaft sind Sterben und Tod Tabuthemen. Der nahende Tod, sei es der eigene oder der einer geliebten Person, stürzt die meisten Menschen in ein Chaos aus kaum erträglichen Gefühlen wie Angst, Verzweiflung, Traurigkeit, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Wut. Vor allem die Angst vor dem Tod hält uns davon ab, über ihn nachzudenken oder über ihn zu sprechen.
Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, die von Performance-Scores diktiert wird. Beruf und Privatleben stellen oft hohe Anforderungen und wer die erfüllen will, hat gesund, fit und stark zu sein. In vielen Stellenanzeigen wird Belastbarkeit gefordert. Schwäche und Krankheit sind verpönt, der Tod erst recht; das sind keine Small-Talk- oder Gute-Laune-Themen. Nicht selten hören Kranke und Trauernde Sprüche wie „Stell dich nicht so an; anderen geht es noch viel schlechter als dir“ oder „Jetzt hör mal auf zu jammern; fang endlich an, wieder zu leben.“ Solche Sätze zeugen von Empathiemangel und von Angst. Wenn wir an den eigenen Tod denken, wünschen wir uns nicht von ungefähr, im Schlaf zu sterben oder, falls uns das nicht vergönnt sein sollte, einen schmerzlosen und möglichst schnellen Tod. Wir hoffen, dass wir zuhause sterben können, doch wahrscheinlicher ist, dass wir unsere letzten Stunden in einem Krankenhaus, Pflegeheim oder Hospiz verbringen.
Sterben früher und heute
Jahrtausendelang war der Tod ein allgegenwärtiger Teil des Lebens. Unzählige Menschen fielen Kriegen oder unbesiegbaren Krankheiten zum Opfer. Kranke starben in der Regel zu Hause, meist unerwartet, schnell und unter großen Schmerzen; Frauen häufig am Wochenbettfieber. Noch vor zweihundert Jahren mussten die meisten Menschen bereits als Kinder oder Jugendliche den Tod von Geschwistern, eines Elternteils oder anderer naher Verwandte verkraften, die an Infektionskrankheiten wie Keuchhusten, Diphtherie, Scharlach, Masern, Tuberkulose, Cholera oder Influenza starben. Heute lassen sich diese dank Antibiotika meist erfolgreich behandeln. Die häufigsten Todesursachen sind nun Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.
In der modernen westlichen Welt sterben nur noch ungefähr zehn Prozent der Menschen unerwartet. Im Gegensatz zu früher kann der Tod oft abgewendet oder zumindest lange verzögert werden, Medikamente sorgen für Schmerzlinderung oder sogar Schmerzfreiheit. Laut Faktencheck von SWR Odysso sterben nur noch knapp dreißig Prozent der Patienten zu Hause, dafür gut vierzig Prozent im Krankenhaus, wo bis zuletzt auf die effiziente Hilfe von High-Tech-Medizin gesetzt wird. Viele Schwerstkranke dämmern unter starken Schmerzmitteln dahin. Dem Sterben geht häufig eine lange Phase der Pflegebedürftigkeit voraus; rund ein Viertel jedes Sterbejahrganges scheidet in Pflegeheimen aus dem Leben. Die Hauptaufgabe von Krankenhäusern besteht in der Heilung oder Verlangsamung des Krankheitsverlaufs. Gelingt dies nicht mehr, werden Sterbende aus dem Krankenhaus entlassen und meist an ein Pflegeheim oder Hospiz überwiesen, falls das Krankenhaus nicht über eine eigene Palliativstation verfügt.
Das Konzept der Palliativversorgung ist noch relativ neu. Einem Bericht des Ärzteblatts zufolge war es „Mitte der 80er-Jahre dann immerhin ein Einzelzimmer am Ende des Flurs, wo Menschen (trotz!) laufender Infusion starben – häufig als Ersatz für jedweden menschlichen Beistand. Immerhin wurde ein Morphinpräparat in hoher Dosierung eingesetzt, ‚damit der Betroffene nichts spürt‘. Weder Krankenhausmitarbeiter noch Angehörige fühlten sich darüber hinaus zuständig.“
Der Verfasser des Berichts, Rainer Prönneke, selbst Palliativmediziner, schreibt: “Wie konnte es zu dieser beschämenden Fehlentwicklung in einem sich selbst als kulturell hochstehend und zivilisiert bezeichnenden Land mit einem ‚fortschrittlichen‘ Gesundheitssystem kommen? Zum einen haben die millionenfachen Sterbe- und Todeserlebnisse im Zweiten Weltkrieg zu einem Trauma geführt, das ein Überleben nur mit durchgängiger Verdrängung dieser Erlebnisse (und aller aktuell Sterbenden) zuließ. Damit verbunden gingen traditionelle Rituale, die das Sterben und den Tod begreifbarer machen, verloren. Zum anderen hat sich dank medizinischer Entwicklungen […] ein euphorisches Gefühl der Kontrolle über Krankheiten ausgebildet. Als ‚Nebenwirkung‘ wurde der Tod als Versagen und Misserfolg gedeutet. Damit musste auch das Sterben als Vorstufe zum Tod kollektiv verdrängt werden. Hospiz und Palliativmedizin stellten die Vorstellung einer rational begründeten Beherrschbarkeit von Krankheit infrage.“
Die Hospiz- und Palliativversorgung hat zum Ziel, die Rahmenbedingungen des Sterbens zu verbessern und einen würdevollen Tod zu ermöglichen – nicht zuletzt durch die Wiedereinführung einer Sterbekultur und Trauerkultur, die Sterbenden und ihren Angehörigen Zeit gibt, sich auf das Unvermeidliche vorzubereiten, über das eigene Befinden zu sprechen und auf ihre ganz persönliche Weise Abschied von der Welt zu nehmen. Spätestens wenn die Phase der Palliativversorgung erreicht ist, wird der nahende Tod zu einem Thema, dem sich die Sterbenden und ihre Angehörigen stellen müssen. Doch obwohl die Betroffenen das Thema in der Regel schon lange beschäftigt, möchten sie häufig nicht darüber reden, weil sie das Gefühl haben, nicht verstanden zu werden, oder weil sie niemanden mit ihren Ängsten und Sorgen behelligen wollen. Viele Sterbende erleben es als zusätzliche Belastung, dass sie neben dem körperlichen Leid und der eigenen Trauer über das, was die Krankheit ihnen bereits genommen hat und noch nehmen wird, auch noch die Trauer ihrer Angehörigen mittragen, auch wenn sie ihnen das nicht sagen würden.
Sterbe- und Trauerbegleitung
Da der Tod in unserer Gesellschaft tabuisiert wird, herrscht oft große Unsicherheit im Umgang mit Sterben, Verlust und Trauer. Viele Hospizdienste bieten daher Fortbildungen zur Sterbe- und Trauerbegleitung an, um diesen Unsicherheiten zu begegnen.
Bei der Sterbebegleitung geht es darum, Menschen in den letzten Monaten oder Wochen vor ihrem Tod beizustehen, sie zu trösten und rücksichtsvoll zu betreuen. Denn jeder Mensch, egal ob jung oder alt, benötigt in dieser Lebensphase Zuwendung und Unterstützung.
Sterbe- und Trauerbegleitung erwächst aus dem sozialen Miteinander. Sie kann auf verschiedene Arten geschehen: auf privater Ebene durch Freunde, Nachbarn oder Kollegen, auf professioneller Ebene durch Ärzte, Pflegende, Psychologen und andere in Gesundheitsberufen tätige Personen wie Kunsttherapeuten oder Klinikclowns, oder auf ehrenamtlicher Ebene durch Hospizbegleiter*innen. Dabei ist es wichtig, nicht nur die Sterbenden, sondern auch deren Angehörigen zu begleiten, denn es hat sich gezeigt: Wenn es den Angehörigen gut geht, entlastet das die Sterbenden und hilft ihnen dabei, das Leben loszulassen.
Hospizdienste bieten hauptsächlich zwei Arten von Kursen an: Letzte-Hilfe-Kurse sowie Befähigungskurse für die ehrenamtliche Hospizarbeit.
Befähigungskurse für ehrenamtliche Hospizarbeit
Die sogenannten Befähigungskurse richten sich an Menschen, die sich dafür interessieren, ehrenamtlich als Sterbe- und Trauerbegleiter*innen in Hospizen tätig zu werden. Die Palliativakademie Rheinland schreibt dazu:
„Im Mittelpunkt der Hospizarbeit steht der sterbende Mensch. Aus seiner Sicht und auf dem Fundament seines Wertesystems wird die Begleitung gedacht und gestaltet. Auf der Grundlage einer suchenden Haltung und im Dialog mit dem Sterbenden und dessen Angehörigen wird die individuelle Lebensqualität und das Ringen um ein selbstbestimmtes Leben bis zum Lebensende unterstützt. Die Angehörigen werden in dem Prozess des Abschiednehmens begleitet, entlastet, sie erfahren Beistand und Hilfe. (…)
Veränderung ist ein zentrales Merkmal aller Lebensrhythmen. In diesem Prozess der Veränderung sind Werden, Sein, Vergehen und Neuentstehen Wendepunkte in unserem Leben und durchziehen kontinuierlich unsere Biografie. Bis zum letzten großen Übergang am Ende des Lebens in den Tod werden uns diese Wendepunkte begleiten und uns immer wieder aufs Neue herausfordern. Wenn Veränderungen Teil des Lebens sind, dann sind Menschen auch entsprechend ausgestattet, diesen Grundsituationen und Widerfahrnissen des Lebens – Krankheit, Leiden, Sterben und Tod – zu begegnen.
Die Fähigkeit, die wir dazu benötigen, ist unsere Trauerfähigkeit.
Sie ist die Auseinandersetzung und Verarbeitung vom Verlust der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, von Lebensentwürfen und Lebenszielen, von geliebten Menschen und von dem vertrauten Lebensraum.
Somit verstehen wir Trauerprozesse als individuelle Reifungsprozesse und systemische Entwicklungszeiten. Das bis dahin gelebte, gewohnte Leben ist nicht mehr länger lebbar. Es sind Chaoszeiten, in denen wir uns halt- und schutzlos herumgewirbelt fühlen, wie vertrocknete Herbstblätter im rauen Herbststurm. In diesen Zeiten gehen wir auf harten Trauerwegen. Wir müssen diesen Trauermarathon durchleben, durchstehen und mitunter auch schmerzvoll durchleiden, bis wir Schritt für Schritt ein neues Gleichgewicht erlangen. […]
Auf den Trauerwegen der An- und Zugehörigen und der Menschen die sterbend sind, erleben wir die Einzigartigkeit und individuelle Eigenart der Ausdrucksweisen, die von außenstehenden Beobachtern oftmals als unverständlich oder bizarr eingestuft werden. Für die Trauernden haben diese Emotionen eine tiefe Sinngebung und sind wertschätzend zu respektieren.
Die persönliche Auseinandersetzung mit biographischen Verletzungen, schmerzvollem Miterleben von Leiden, mit den eigenen Verlust- und Versagensängsten, mit der Reaktionen auf Hilflosigkeit, auf Ohnmachtsgefühle und eigener Fehlerhaftigkeit, bereitet die Trauerbegleitenden, welcher Profession sie auch angehören mögen, auf die Begleitung vor und stärkt sie in der persönlichen Haltung.
Zum qualifizierten methodischen Rüstzeug der Trauerbegleitenden gehört, dass sie das zur Verfügung stehende Spektrum unterschiedlichster Selbstempfindungen auf beiden Seiten wahrnehmen und die Grenzen des eigenen Handelns und der Trauer darüber nicht als Kontrollverlust erleben. So gerüstet können sie sich in eine authentische Beziehungsgestaltung wagen.“
In der Information zum Ermutigungs- und Grundbefähigungskurs des Hospiz Köln-Deutz e.V. heißt es:
„Die wichtigsten Voraussetzungen für die Begleitung Sterbender und ihrer Familien sind Lebendigkeit und Unmittelbarkeit in der Begegnung und sich der eigenen Haltung gegenüber der Endlichkeit des Lebens bewusst zu werden, um sie im praktischen Handeln wirksam werden zu lassen.“
Vorbereitung von Klinikclowns auf die Begegnung mit Sterbenden und Angehörigen
Die vorstehend zitierten Ausführungen verdeutlichen, warum die Teilnahme an einem solchen Befähigungskurs auch für Personen sinnvoll sein kann, die als Klinikclowns in Hospizen tätig werden möchten. Denn vielleicht sind sie in ihrem eigenen Familien- oder Freundeskreis noch gar nicht mit Tod und Sterben in Berührung gekommen; vielleicht fühlen sie sich für diese Art von Klinikclownerie nicht ausreichend gerüstet und möchten mehr darüber erfahren, wie Sterbende und ihre Angehörigen die letzte Lebensphase erleben. Oder vielleicht fürchten sie, dass sie nach dem eigenen Verlust eines geliebten Menschen gar nicht in der Lage sind, diese Tätigkeit auszuüben. Wie auch immer, es ist wichtig, sich über diese Dinge klar zu werden.
Die Begegnung mit Sterbenden ist außergewöhnlich, weil diese Menschen sich in jener einzigartigen Situation befinden, die uns selbst irgendwann unweigerlich bevorsteht. Sie sehen ihrem nahenden Tod entgegen und sind dabei, sich auf ihre ganz individuelle Weise vom Leben zu verabschieden. Diese Situation beherrscht ihre Gedanken und Gefühle, und auch diejenigen ihrer Angehörigen.
Die Begegnung mit Sterbenden und ihren Angehörigen erfordert also ein besonderes Gespür. Es ist wichtig, dass Klinikclowns sich ihrer eigenen Haltung in Bezug auf Tod, Trauer und Verlust bewusst sind, damit sie den Sterbenden und deren Angehörigen auf authentische Weise begegnen können.
Die Teilnahme an einem solchen Befähigungskurs kann helfen, die eigene Trauerfähigkeit zu erforschen und bewusster zu machen. Zugleich kann sie dazu beitragen, die Wahrnehmung dessen, was die Sterbenden und ihre Angehörigen bewegt, zu stärken und von dem, was im eigenen Innern vorgeht, zu unterscheiden. Dadurch kann sie vieles leichter machen: die Gestaltung der Klinikclown-Besuche, die Balance zwischen Empathie und Sich-abgrenzen-können während des Besuchs sowie die anschließende Verarbeitung des Erlebten auf persönlicher/privater Ebene.